HORST
TIWALD
www.mathias-zdarsky.de
31. Juli 2007
Ein Ski-Märchen für großgewordene Kinder
Hallo kleine Freundin, hallo kleiner Freund!
Ich möchte Dir gerne etwas über das Skilaufen erzählen. Auch will ich Dir ein
paar kleine Tipps geben, die Du vielleicht gut brauchen kannst.
Vorerst erzähle ich Dir einige interessante Sachen darüber, wie das Skilaufen
entstanden ist.
„Es war einmal vor langer langer Zeit...,
da hat ein geschickter Mensch den Ski erfunden. Wann und wo das war, das weiß
man nicht. Es gibt sehr alte Funde von Skiern in verschiedenen nordischen
Ländern. Eben dort, wo es viel Schnee gibt.
Um in diesen Gebieten überleben zu können, musste man auch bei tiefem Schnee im
Winter hinaus in die freie Natur, um zu jagen, zu fischen oder Holz zu sam-meln.
Da erfand man eben Geräte, die den Fuß vergrößern, so dass man nicht mehr so
tief in den Schnee einsank. Man nannte die-se Geräte „Schneeschuhe“. Auch
Schlitten wurden erfunden, um die erlegten Tiere und das Holz nach Hause zu
schleppen. Hier war es wichtig, dass sich der Schlitten durch den Schnee auch
gut ziehen ließ, wie ein Boot durch das Wasser.
Skier waren nun so kleine Boote an beiden Füßen, mit denen man sich am
gefrorenen Wasser und am Schnee mit Stöcken vorwärtsschieben konnte. Ging es
bergab, dann brauchte man nicht mehr zu schieben, den die Schwerkraft zog einem
ja nach unten.
Die Erwachsenen, die in diesen harten Wintern für ihre Familien sorgen und in
den verschneiten Winter hinaus mussten, waren also sehr erfinderisch. Sie haben
den Schneeschuh und den Ski erfunden, den sie für ihr Überleben gut gebrauchen
konnten.
Den „Spaß am Skilaufen“, welcher das Skilaufen zum Spiel und später zum Sport
machte, diesen „Spaß am Skilaufen“ haben aber Kinder entdeckt.
Norwegische Kinder waren daher die eigentlichen Be-gründer des Skisports!
Du weißt ja, früh übt sich, wer Meister werden will. Da nun je-des Kind später
auch erwachsen wird, so musste es sich auch auf das harte Leben in den kalten
Regionen des Nordens vorbe-reiten.
Die Erwachsenen haben daher den Kindern kleine Skier ge-macht, damit sie schon
früh üben konnten.
Wie es nun aber so ist, Kinder machen nicht nur das, was die Erwachsenen von
ihnen erwarten, sondern auch Quatsch.
Kinder probieren eben aus, was möglich ist, und was Spaß macht. So haben die
Kinder den Spaß am Skilaufen entdeckt und dann auch Kunststücke mit den Skiern
erfunden, zum Bei-spiel das Schussfahren von einem steileren Hügel und das
Ski-springen.
Kinder werden letztlich auch erwachsen. Sie können aber trotzdem in ihrem Herzen
Kinder bleiben. So ha-ben diese großgewordenen Kinder eben den von ihnen
entdeckten Spaß am Skilaufen in ihr Erwachsensein mitgenommen und weiter geübt.
Diese älter gewordenen Kinder wurden dann große Ski-Künstler.
Dieser Spaß am Skilaufen sprach sich natürlich herum. Bald wurde von Kindern und
älter gewordenen Kindern im schneerei-chen Norwegen, insbesondere in der
Landschaft Telemarken, mit viel Spaß das Skilaufen geübt.
So waren die Norweger, dank ihrer Kinder, jenes Volk, welches das Skilaufen, das
vorher nur brauchbar war, nun auch aus Spaß betrieb.
Mit Spaß entdeckt man natürlich mehr, als wenn man etwas nur zum Lebensunterhalt
erlernen „muss“. Im Spaß variiert man mehr und entdeckt dabei auch ganz tolle
Kunststücke.
So hat die Jugend in Norwegen, das heißt, es haben auch die älter gewordenen
Kinder, bereits vor fast zweihundert Jahren in der Landschaft Telemarken
be-gonnen, Skilaufen auch aus Spaß zu betreiben.
Vor etwa 150 Jahren begannen die Menschen in Europa mehr in den Städten zu
wohnen und dort auch in Fabriken zu arbeiten, um ihr Brot zu verdienen.
Da wollte man am Sonntag einen Ausgleich in der frei-en Natur und in frischer
Luft.
Im Winter, wenn Schnee lag, ging man daher vor die Tore der Großstädte und übte
seinen Körper auch mit Skilaufen, um ge-sund zu bleiben und um Spaß zu haben.
Natürlich begann das Skilaufen als Freiluft-Sport in Norwegen. Vor den Toren der
norwegischen Hauptstadt Oslo sammelten sich im Winter viele Stadt-Menschen, um
Ski zu laufen. Aus der Landschaft Telemarken ka-men dann die älter gewordenen
Kinder und brachten den erwachsenen Osloern das Skilaufen bei. Diese älter
gewordenen Kinder waren die ersten Skilehrer.
Aber nicht alle älter gewordenen Kinder fanden in Norwegen ei-ne Arbeit.
So wanderten viele aus, um zum Beispiel in Australien und in Nordamerika als
Holzfäller zu arbeiten.
Die Norweger nahmen ihr Skilaufen aber mit in die fremden Länder und haben es
überall dort verbreitet, wohin sie kamen. Natürlich nur dort, wo es im Winter
auch reichlich Schnee gab.
Sie organisierten dort Wettfahrten. Dabei ging es um ein schnelles Bergabfahren.
Auch Bewerbe für Skispringen gab es bereits damals.
So fanden in Australien und in Nordamerika (von aus-gewanderten Norwegern
organisierte) Wettbewerbe im Abfahrtslauf und Skispringen statt, lange bevor es
in den Alpen ein Skilaufen gab.
In diesen Rennen sind bereits vor 150 Jahren in Australien auch Chinesen
mitgefahren. Du weißt ja, die Chinesen haben lange vor uns das Schießpulver
erfunden, benutzten es aber insbe-sondere um Raketen für Feuerwerke, für Feste
und zum er-schrecken der Geister, zu bauen. Aber auch zum Sprengen be-nutzten
sie das Pulver. So sammelten sie auch viel Erfahrungen im Bergbau und im
Wegsprengen von Felsen.
Als vor mehr als 150 Jahren in Australien in den Bergen Gold gefunden wurde,
brach dort ein richtiger Gold-rausch aus. Ganz ähnlich wie in Nordamerika.
Die Norweger gingen nach Nordamerika und nach Australien, um Holz zu fällen,
welches man zum Bau der Anlagen für das Goldsuchen brauchte. Die Chinesen kamen
nach Australien als Bergbau-Experten, als sogenannte Mineure, um Stollen zu
bau-en und auch aus dem Berg Steine herauszusprengen, in denen man Erz
vermutete.
Natürlich hat die Auswanderer nicht nur die Arbeit, sondern auch die Hoffnung,
selbst Gold zu finden, angelockt.
In Australien haben die Norweger im Jahre 1861 den zweitältesten Skiclub der
Welt gegründet.
Der älteste Skiclub der Welt entstand schon vorher im gleichen Jahr zu Hause in
Norwegen.
Der drittälteste Ski-Club folgte dann drei Jahre später im Jahre 1864 in
Helsinki in Finnland.
Der viertälteste Ski-Club wurde dann 1867 in Nordame-rika gegründet.
Den erste Ski-Club in Mitteleuropa gab es aber erst 27 Jahre später.
Im Winter 1890/91 wurde der erste mitteleuropäische Ski-Club in München
gegründet und im Winter darauf dann der nächste in Wien.
Aber bereits bevor es den ersten Ski-Club der Welt gab, fanden sowohl in
Nordamerika als auch in Australien Ski-Rennen statt. Es wurden damals auch
Wetten abgeschlossen, wer wohl Sie-ger werden würde.
Wegen des Geld-Wettens heißen heute noch die Sport-bewerbe „Wett-Kämpfe“.
Weil es dabei um Geld ging, was wiederum zum Streit führte, mussten daher später
auch für den Sport stren-ge Regeln aufgestellt werden. Wenn nämlich über das
Wetten das Geld ins Spiel kommt, dann ist eben bald Schluss mit Spaß und lustig.
Auch das Mogeln nimmt dann zu, denn es „lohnt“ sich nun ja ganz besonders.
An den Ski-Rennen in Australien haben, wie ich schon erzählt habe, sogar
Chinesen teilgenommen. Über diese Rennen wird berichtet :
„Richtige Legenden bildeten sich um Skirennen am Kiandra-Berg, bei denen dem
Sieger – angeblich! –eine Handvoll roher Goldkörner überreicht worden ist.
An diesen Rennen wirkten der Überlieferung nach auch chinesische Mineure mit,
und noch lange Zeit später er-zählten die Nachkommen der ersten Skipioniere, wie
die Chinesen über die vereisten Hänge des Kiandra hin-untergerast seien. Ihre
Zöpfe hatten wie Fahnen am Kopf geflattert.“
Später dann, aber immerhin heute schon vor hundert Jahren, war es ein älter
gewordenes norwegisches Kind, der Karl Hovel-sen, der in den USA sogar im Zirkus
BARNUM & BAILEY als Ski-springer auftrat.
Es wurde dort ein 30 Meter hohes Gerüst aufgebaut, von dem es in einer
Wasserrutschbahn steil zum Schanzentisch hinabging. Da fuhr KARL HOLVESEN mit
seinen Skiern hinunter und flog über die ganze Manege, in der Elefanten
aufgestellt waren. Dann landete er si-cher auf einer Aufsprungbahn und fuhr
unter tosendem Applaus weiter. Dieser „fliegende Wikinger“ war damals eine große
Welt-Sensation.
Aber 15 Jahre vor dieser Welt-Sensation gab es bereits eine ganz große
Welt-Sensation. Sie vollbrachte der berühmte Nor-weger FRIDTJOF NANSEN. Er war
ein großer Forscher und hat viele Gebiete der Eiswelt des Nordens erkundet.
Da kam er auf die Idee, mit Skiern die große Insel Grönland von Ost nach West zu
überqueren, was vor-her noch niemand versucht hatte.
Diese Expedition hat er mit seinen Freunden auch geschafft. Darüber hat er dann
ein Buch geschrieben. Daraufhin ging es in Mitteleuropa mit dem Skilaufen erst
richtig los. Besonders die sport- und naturbegeisterten Menschen der Großstädte
wurden von einem richtigen Ski-Fieber erfasst. Man nannte diese Be-geisterung „Nansen-Fieber“.
Vor den Toren der Großstädte BERLIN, MÜNCHEN, WIEN, usw. begannen die Menschen,
wenn Schnee gefallen war, als Freiluft-Sport Ski zu laufen.
Es wurden auch Norweger eingeladen, die das Skispringen vor-zeigten und auf
relativ flachen Wiesen schöne Bögen vorfuhren.
Damals gab es auch Alpinisten, die im Sommer die ho-hen Berge in den Alpen
bestiegen. Diese Leute kamen nun auf die Idee, im Winter die schneebedeckten
Berge mit Skiern zu besteigen.
Dies alles war aber nur ein Vergnügen für Erwachsene. Dies hat leider bewirkt,
dass diese Erwachsenen begannen, aus dem Skilaufen eine „Schule“ zu machen.
In diesen Ski-Schulen „musste“ man dann genau das machen, was die Erwachsenen
sich ausgedacht hatten, dass es richtig sei.
Aber die Erwachsenen wollen ja immer alles besser wissen. So begannen sie auch
untereinander arg zu streiten, wer von ihnen die richtige Methode hätte, um
anderen das Skilaufen zu „leh-ren“.
Die Kinder müssen seither in die Ski-Schule gehen, um Skilaufen zu lernen, bzw.
um das zu machen, was sich die Erwachsenen da schlau ausgedacht haben.
Damit es dann in dieser Schule auch Spaß macht, werden auf die Piste
Märchen-Figuren aus Pappe gestellt, um die dann die Kinder im Pflug
herumrutschen müssen.
Es ist schon traurig, wie sich Erwachsene so den Spaß der Kinder vorstellen.
Das sind eben nur Erwachsene und keine großgewor-denen Kinder!
Wenn man Kindern etwas beibringen will, dann sollte man auf die Kinder hinhören,
und sich auch an seine eigene Kindheit er-innern.
Wer Kindern etwas beibringen will, der muss sich eben erinnern, dass auch er ein
großgewordenes Kind ist!
Auch ich bin groß geworden. Als ich dann Opa wurde und mei-ner Enkelin das
Skilaufen zeigen wollte, ist mir dies ganz klar geworden.
Es reicht nämlich nicht aus, bloß die erzählte Geschichte des Skilaufes zu
wissen. Da blickt man beim Skilaufen ohnehin nicht durch, denn es wurde ja fast
nur gehässig gestritten.
Man sollte sich vielmehr auch daran erinnern, wie man selbst in seiner Kindheit
das Skilaufen gelernt hat.
Ich will Dir daher vorerst erzählen, wie das bei mir so gelaufen ist.
Aufgewachsen bin ich an der Donau. Also nicht im Alpenvorland oder im Gebirge,
wo damals schon viel Skigelaufen wurde.
Meine Piste war vorerst nur ein Schneehaufen im Gar-ten, dann der Eisenbahndamm
hinter meinem Eltern-haus und später die Hügel in der Wachau.
So weit ich mich erinnere, gab es damals fast jedes Jahr Schnee zum Skilaufen,
zumindest einige Tage.
Als ich meine ersten Skier bekam, ging ich noch nicht in die Schule. Diese Skier
waren etwa 40 bis 50 cm lang. Ein vorne aufgebogenes Sperrholz, mit einem Backen
und einer Fersen-halterung aus Blech. Mit Riemen über die Zehen und um den
Fußknöchel wurden die Skier an die Füße gebunden. Das Blech der Bindung brach
oft, so dass mein Vater meine Skier immer wieder reparieren musste.
Den pappigen Schnee im Garten rollten wir zu großen Kugeln zusammen. Diese
Kugeln türmten wir dann zu einem großen Haufen auf. Im Treppenschritt stapften
wir seitlich den kleinen Hügel hinauf, und dann ging es im „Schuss“ bergab.
Später bekam ich dann längere Skier. Nun war schon der Bahn-damm unsere Skipiste
geworden.
Wieder ging es seitlich im Treppenschritt hinauf, im Schuss hinunter und über
den Weg. Kurz vor dem Gar-tenzaun auf der anderen Straßenseite rissen wir die
Skier herum, so dass sie quer standen und bremsten. Dass dabei der Schnee hoch
wegstaubte, machte uns besonderen Spaß.
Dieses plötzliche Querstellen der Skier, haben wir „abkristeln“ genannt.
Damit meinten wir den „Kristiania“. Dies war ein schar-fer Bogen zum Anhalten,
der nach der norwegischen Hauptstadt benannt wurde. Oslo hieß nämlich früher
Christiania.
Später bauten wir dann in die Schussfahrt eine kleine Schanze ein und sprangen
von dieser ab. Wir markierten dann, wie weit man in der Luft „flog“.
Das war es!
Damit hatte ich alles gelernt, was ich zum Bewältigen des Geländes auf den
kleineren Hügeln um meine Hei-matstadt herum später brauchte.
Dieses wilde Fahren machte mir viel Spaß und es fiel mir genau so leicht, wie
die anderen Sportarten, die ich mühelos und mit viel Spaß erlernte.
Dann kam ich in der Mittelschule.
Dort versuchte unser Turnlehrer uns das Skilaufen „richtig“ beizubringen. War
ich vorher auf der Skiwiese immer einer der Besten, so fand ich mich nun am
ande-ren Ende.
Was war geschehen?
Auf einer flachen Idioten-Wiese, wo man kaum Fahrt bekam, mussten wir
Pflugfahren und Bogentreten. Im-mer ging es darum, die Skier hinten
wegzuschieben. Auf keinem Fall durften wir den Innenski belasten, bzw. wir
durften auch nicht bequem am Bergski stehen.
Was ich damals bereits konnte und das für mich bis dahin sehr brauchbar war, war
nun auf einmal alles „vollkommen falsch“. Alles sollte ich nun anders machen,
als ich es mir selbst beige-bracht und von den andern Kindern wohl auch
abgeguckt hatte. Die andern Kinder hatten es ja auf die gleiche Weise gelernt,
und hatten auf der Piste ebenfalls Erfolg.
Nun wurde ich aber ständig korrigiert, denn ich fuhr noch immer viel am
Innenski, versuchte die Skispitzen vorne flach in die Kurve zu schieben, statt
sie hinten gekantet wegzustemmen.
Sport machte mir aber insgesamt doch sehr viel Spaß, so dass ich gerne
Sportlehrer werden wollte.
In meiner Sportlehrer-Ausbildung lernte ich dann am Arlberg wie man Schülern das
Skilaufen „richtig“ bei-bringt. Nun kam ich noch mehr durcheinander. Alles wurde
nun ganz kompliziert, obwohl vorher alles so einfach und schön war.
Irgendwie stellte ich mich blöd an. Im Grunde war ich trotz meines Bemühens
unbelehrbar.
Es war für mich nämlich ganz klar, dass der Sinn des Skilaufens das Schussfahren
mit Springen ist. Und dass es darum geht, die Fähigkeit zu erwerben, jederzeit
vom Schrägfahren in die Schussfahrt talwärts kommen, und durch Abkristeln die
Schussfahrt jederzeit kontrol-liert stoppen zu können. Die Bögen entstehen dann
von selbst, wenn man mehr oder weniger abkristelt.
Beim Treppen-Schritt bergwärts lernte man bereits deutlich, den Bergski vom
Talski zu unterscheiden. Das war schon die halbe Miete.
Um seitlich den Hügel mit den Skiern hinaufstapfen zu können, musste man nämlich
immer zuerst den Bergski hocheben und seitlich den Berg hinaufstellen. Dann
konnte man sich erst am Bergski hochziehen. Den Talski zog man dann nach und
stellte ihn knapp neben den Berg-Ski. Nun musste man das Gewicht wieder auf den
Tal-Ski verlagern, damit man den Berg-Ski er-neut seitwärts den Berg
hinaufstellen konnte, usw.
War man oben, dann ging man den Hang schräg so weit nach vorne, bis die Bindung
in der Spur des Anlau-fes zur Schanze war. Die Skier standen dann quer zur
Schussbahn.
Nun ging es darum, das Gewicht auf das Berg-Bein zu bringen, das Tal-Bein leicht
hochzuheben und den belasteten Berg-Ski vorne mit der Spitze nach unten in die
Anlauf-Spur rutschen zu lassen. Da brauchst Du gar nicht viel zu tun. Die
Schwerkraft zieht den Ski ohnehin nach unten. Den zweiten Ski kannst Du dann
ohne Eile parallel dazuzustellen.
Stehst Du also quer zur Schussfahrt am Hang, dann hebe den Tal-Ski etwas hoch,
verlagere Dein Gewicht vorne auf den Berg-Ski und lege die Schaufeln des
Berg-Skis vorne ganz flach auf die Piste. Der Berg-Ski rutschte dann auf der
Kante der kleinen Zehe von selbst talwärts in die Anlaufspur hinein.
Das war alles, was zu tun war, um aus dem Querstand oder aus der Schrägfahrt in
die Schussfahrt talwärts zu kommen.
Ging es dann darum, nach dem Sprung in der Schussfahrt zu landen und im Auslauf
zu stoppen, dann versuchten wir eben wieder in den Querstand zu kommen.
Damit man dies schaffte, musste man sich nach hinten innen legen und beide Beine
unter dem Körper auf die gleiche Seite nach außen wegtreten.
In die Kurve ging es also „vorne flach hinein“, während es „hinten gekantet“ aus
ihr wieder hinaus ging.
Wenn man im Abbremsen Halt suchte, dann musste man also beide Skier kanten und
das Gewicht nach hinten innen legen, wodurch natürlich der Innen-Ski mehr als
der Außen-Ski be-lastet wurde und auch mehr Halt gab.
Mir war daher ganz unverständlich, warum es richtig sein soll, nur den Außen-Ski
zu belasten.
Auch konnte ich nie verstehen, warum Rundfunk-Reporter immer davon sprachen,
dass der Rennläufer deswegen weggerutscht sei, wie er den Innen-Ski, d.h. den
„falschen Ski“ belastet habe.
Aus meiner eigenen Erfahrung heraus war ich nämlich der Mei-nung, dass man
wegrutscht, weil man zu viel Innenlage hat. Auf Eis gibt es dann zu wenig Halt.
Dass dann der Sturz letzt-lich auf dem Innen-Ski geschieht, ist
selbstverständlich, denn auch hier beißen den Letzten die Hunde.
Man rutschte also nicht weg, „weil“ man den Innen-Ski belastet hat, sondern
„trotzdem“.
Und in ähnlicher Weise stelle ich mir heute die Erfahrungen der Norweger vor,
die unsere ersten Ski-Pioniere waren.
Ganz klar, dass auf diese Sachen die Kinder immer wieder von selber draufkommen
können, sie sind ja nicht doof. Wenn man ihnen aber etwas Falsches vor-zeigt
oder vorsagt, dann kommen sie etwas durchein-ander.
Erst dieses Durcheinanderbringen macht dann die Erwachsenen wichtig, die ja
sonst nichts zu tun hätten.
Offensichtlich macht es den Erwachsenen Spaß, die Kinder vorerst durcheinander
zu bringen, um dann als die klugen Retter auftreten zu können.
Der gehässige Streit über das Skilaufen entstand, als ein Er-wachsener kam, der
den anderen Erwachsen sagen wollte:
• dass man sich im Bogen nach „vorne-innen legen“ müsse;
• dass man, um in den Bogen hineinzukommen, vorerst „am Berg-Ski stehen“;
• und dann die „Skier vorne ganz flach stellen“ müsse.
Dieser eigenwillig widersprechende Ski-Pionier war MATHIAS ZDARSKY, der damals
in Lilienfeld in Niederösterreich wohnte . Lilienfeld liegt im Alpenvorland, wo
man gut Skilaufen kann.
Um bei MATHIAS ZDARSKY das Skilaufen zu lernen, wur-den an Wochenenden extra von
Wien nach Lilienfeld Sonderzüge der Eisenbahn eingerichtet.
So kamen aus Wien sehr viele Leute und haben an einem Wo-chenende, also in zwei
bis drei Tagen, bei ihm das Skilaufen er-lernt.
MATHIAS ZDARSKY hatte nämlich ebenfalls entdeckt, was die Kinder immer schon von
selbst machen wollen.
Im Streit des Skilaufes gab es dann zwei Lager:
• die Einen fassten das Skilaufen ähnlich wie das Ski-Langlaufen auf; hier ist
der Pflug-Bogen zu Hause;
• der Andere war MATHIAS ZDARSKY. Dieser fasste das Skilau-fen als eine mit
Bögen kontrollierte Schussfahrt auf.
Dieser Unterschied ist so ähnlich wie der zwischen Rudern und Segeln:
• beim Rudern kommt man nur voran, wenn man selbst mit Muskelkraft arbeitet. Hat
man dann Fahrt, dann braucht man bloß die selbst erzeugte Geschwindigkeit
abzubremsen oder zu steuern. Dies ist so ähnlich wie beim Skilanglauf.
• anders ist es beim Segeln. Hier komme ich voran, weil mich der Wind treibt.
Meine Muskelkraft brauche ich hier nur, um zu steuern. Dies ist wiederum so wie
beim alpinen Skilauf. Der Segler muss lernen, den Wind zu nutzen; der alpine
Skiläufer muss dagegen lernen die Schwerkraft zu nutzen, die ihn ständig zu Tal
zieht. Es geht also darum, die Schwerkraft kennen und nutzen zu lernen.
Wenn man nun mit Anfängern auf eine wenig steile Piste geht, auf der man kaum
Fahrt bekommt, dann ist das so, als würde man jemanden das Segeln bei Windstille
beibringen wollen.
Hier muss ich dann eben Laufen, Bogentreten, mit den Stöcken anschieben und im
Pflug selbst hinten wegtreten, damit der Ski in die Kurve geht.
Dies verstanden die erwachsenen „mitteleuropäischen Norweger“, die norwegischer
als die Norweger sein wollten, unter Skilaufen. Sie wussten ja nichts davon, was
norwegische Kinder bereits seit langem machen. Diese erwachsenen Mitteleuropäer
hatten eben als Kin-der noch keine Möglichkeit gehabt, selbst darauf zu kommen,
wie man mit der Schussfahrt umgeht.
Diese erwachsenen „mitteleuropäischen Norweger“ waren aber von ihrer schulmäßig
erdachten Pflug-Lehrmethode so einge-nommen, dass sie MATHIAS ZDARSKY nicht
gelten lassen wollten.
Dies taten sie, obwohl der Norweger FRIDTJOF NANSEN für MATHIAS ZDARSKY das
große menschliche und sportliche Vorbild war. MATHIAS ZDARSKY schrieb bereits
vor über 100 Jahren:
"Die praktische Bedeutung des Skisports steht so außer allem Zweifel, dass ich
es für überflüssig halte, irgend eine Lobpreisung diesbezüglich zu tun. Seit
Nansens kühner Durchquerung Grönlands hat sich der Ski Welt-bürgerschaft
errungen und so seinem großen Meister im Herzen aller Skifahrer ein dauerndes,
von Ge-schlecht zu Geschlecht sich vererbendes Denkmal ge-setzt."
In den Ski-Schulen müssen aber, weil es die klugen Erwachse-nen so wollen, die
Kinder heute noch immer den Pflug erlernen, und beim Kurvenfahren die Skier
hinten wegdrücken.
Im Ski-Rennsport könnte man damit kein Rennen ge-winnen.
Dort fahren alle erfolgreichen Rennläufer so, wie es MATHIAS ZDARSKY aufgezeigt
hat, bzw. wie es die nor-wegischen Kinder schon vor langer Zeit entdeckt ha-ben,
und wie es heute noch jedes Kind auch selbst entdecken kann.
In den Ski-Schulen ticken die Uhren aber nach wie vor anders. Dort herrscht der
„Geist jener Erwachsenen“, die vergessen haben, dass sie auch „großgewordene
Kinder“ sind.
In diesen Schulen will man immer noch bei Windstille den An-fängern ein Gefühl
für den Wind vermitteln, also den Kindern bei Flaute das Segeln beibringen.